5. Mai – Internationaler Hebammentag

Bild: Irina Iriser auf Pexels

Das Motto des International Council of Midwives lautet zum morgigen Tage: 100 years in progress. Trotz allen Fortschritts sterben immer noch täglich viel zu viele Frauen an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt, vor allem in benachteiligten Ländern. Hier in Europa ist die Sterblichkeit von Frauen und Kindern bei Schwangerschaft, Geburt und im Wochenbett massiv zurück gegangen. Zum einen verfügen wir über eine gute Notfallmedizin, zum anderen sind der Ernährungszustand der Frauen und die allgemeinen hygienischen Bedingungen ursächlich für die Verbesserung. Ein echter Fortschritt. Also ist alles in Ordnung?

Wir wissen aber auch, dass der Befund: Frau lebt, Kind lebt, ist rosig und hat einen super pH-Wert nicht das alleinige Ergebnis dessen ist, was eine gute Geburt ausmacht. Seit einigen Jahren trauen Frauen sich, sichtbare Zeichen zu setzen, wenn ihnen ihrer Empfindung nach während der Geburt Gewaltvolles zugestoßen ist. Wir Hebammen wissen, dass sowohl auf leiblicher wie auch auf seelischer Ebene Frauen und Kinder traumatisiert aus ihren Geburtserfahrungen herausgehen. Das hat vor allem strukturelle Gründe. Und weil diese sich offensichtlich nicht verändern, steigen viele Hebammen nach einiger Zeit aus der Geburtshilfe aus. Denn auch uns macht das zu schaffen. Und die Hebammen beklagen seit Jahren unzumutbare Arbeitsbedingungen.

“Ich komme wieder, wenn…”

In diesem Jahr im Januar hat der Landesverband der Hessischen Hebammen e.V. eine informelle Umfrage unter den Mitgliedern gestartet, die lautete: „Ich komme wieder, wenn ….“ Was muss passieren, damit eine Hebamme wieder dazu bereit ist, im Kreißsaal zu arbeiten?

Die Antworten gehen alle in dieselbe Richtung.

Die Hebammen wollen Zeit haben für die Frauen, damit sie sie zugewandt und individuell betreuen können. Die 1:1-Betreuung wurde als Kriterium am meisten genannt.

Um die zu realisieren braucht es einen angemessenen Personalschlüssel. Dieser Wunsch steht an zweiter Stelle. Allerdings sollte das Personal entsprechend qualifiziert sein. Die Kolleginnen beklagen einen hohen Anteil an Aushilfskräften, Leihhebammen und Arbeitskräften aus dem Ausland mit mangelnden Sprachkenntnissen und Fertigkeiten. Das bedeutet eine zusätzliche Belastung für das Team. Und auch hinsichtlich der Haftung.

Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, verbindliche und gesundheitsförderliche Dienstpläne, geregelte Pausenzeiten und familienfreundliche Schichtdienste sind ebenfalls ein wichtiger Faktor. Die Schwierigkeiten, die Bedarfe der Familie mit den Anforderungen des Berufes in Einklang zu bringen, ist bekanntermaßen auch die Ursache für die hohe Teilzeitbeschäftigung von Hebammen. Auch altersgerechte Arbeitszeiten fehlen.

Abkehr vom Kreißsaal ist auch Strukturproblem

Für viele Kolleginnen ist die schlechte Vergütung gepaart mit dem hohen forensischen Druck ein Grund gewesen, dem Kreißsaal den Rücken zu zukehren. Sie wünschen sich eine deutlich höhere Vergütung und keine Angst vor Regressen haben zu müssen. Die Kolleginnen beklagen weiterhin die hierarchischen (und somit patriarchalen) Strukturen in den Kliniken, vermissen eine Arbeit auf Augenhöhe und eine freundliche, wertschätzende und respektvolle Atmosphäre zwischen den Berufsgruppen. Das Gefühl nur „Befehlsempfängerin“ der Ärzte zu sein, treibt die Hebammen aus dem Kreißsaal. Die vielen Interventionen werden auch von den Hebammen teils als gewaltvoll erfahren.

Kurz gesagt:

Eine frauenfreundliche, interventionsarme, hebammengeleitete Geburtshilfe bei angemessener Vergütung würde dazu führen, dass Hebammen es sich vorstellen könnten, wieder im Kreißsaal zu arbeiten. Wenn der Dienstplan stimmt.

Betreuungsmodell Hebammenkreißsaal

Das Konzept Hebammenkreißsaal würde diese Voraussetzungen weitgehend erfüllen. Margit Gründer von der Wetterauklinik in Bad Nauheim ist leitende Hebamme eines Hebammenkreißsaales und stellt das Konzept am 4.5.2022 von 19:00 bis 20:00 Uhr per Videokonferenz vor. Der Einwahllink ist:

https://us02web.zoom.us/j/83651550010?pwd=M2hMM0ZIQVJEM0FvUzBUakdabGRQdz09

Meeting ID:836 5155 0010

Kenncode: 298054

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Allerdings lässt unser Zoom-Account nur 100 Teilnehmende zu.

Interessant ist, dass Frauen, die ihre Geburtserfahrung als gewaltvoll erlebten, in genau den gleichen Aspekten die Lösung sehen, die Hebammen als Grund für eine Rückkehr in den Kreißsaal beschreiben: die 1:1-Betreuung, der Wunsch nach einer hebammengeleiteten Geburt, eine frauenorientierte Betreuungshaltung und eine Arbeit auf Augenhöhe zwischen Arzt und Hebamme. Das hat Motherhood in einer Befragung ermittelt.

Der Deutsche Hebammenverband e.V. hat im März dieses Jahres ebenfalls eine Umfrage seiner Mitglieder gestartet, mit der Aussage: „Grundsätzlich arbeite ich gerne im Kreißsaal. Für mich ist klar, sollten sich die Arbeitsbedingungen in der klinischen Geburtshilfe verbessern, stehe ich bereit.“ Denn: Jede von uns zählt! Die Antworten gleichen denen der hessischen Hebammen. Konkretere Aussagen und Zahlen gibt es auf der Pressekonferenz des DHV am 5. Mai 2022 um 10:00 Uhr, die Sie hier www.hebammenverband.de anschauen können. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Es stimmt mich zuversichtlich, dass das Hessische Ministerium für Soziales und Integration bislang Zeit und in Zukunft hoffentlich auch Geld in das Konzept zur Implementierung von Hebammenkreißsälen in hessischen Krankenhäusern steckt. In Unterarbeitsgruppen und Arbeitsgruppen wird fleißig daran gearbeitet. Es wäre zukunftsweisend, wenn der Runde Tisch im Juni die Umsetzung bewilligen würde. Auch im Koalitionsvertrag im Bund und in Hessen ist die ist die Förderung der 1:1-Betreuung als Willensbekundung und politisches Bekenntnis nachzulesen. Wird Zeit, es mit Leben zu füllen!

Zum Internationalen Hebammentag wünsche ich mir, dass alle Frauen dieser Welt selbstbestimmt in Würde, Sicherheit und Geborgenheit in professioneller und zugewandter Begleitung einer Hebamme ihre Kinder zur Welt bringen können.

Im Namen des Vorstandes des Hessischen Hebammenverbandes wünsche ich Ihnen einen erfolgreichen Hebammentag und einen wunderschönen Wonnemonat Mai.

Herzliche Grüße

Martina Klenk